Dorotea Etzler
zu Besuch
in Mittelfeldt/B.

Bilder unten
Wenn eine Wohnung eine Stadt wäre …

Es brauchte nur einige wenige E-Mails und Telefonate um die Reise zu klar zu machen. Die Anfahrtsmöglichkeiten hatte ich bereits im Internet recherchiert und registrierte zufrieden die vor mir liegende Strecke. Mit der Bürgermeisterin war vereinbart, mich per SMS bei ihr zu melden, sobald ich den Landkreis erreicht habe. Mit einem Brummton macht sich Ihre Antwort bemerkbar: ‚Durch die Sicherheitsschleuse und dann rechts nach oben.‘ Noch weiter oben, stöhne ich, denn schon bei der bisherigen Anfahrt ging es im letzten Teil der Strecke stetig den Berg hoch.
Das Wetter auf meiner Reise ist recht warm, doch leider auch sehr lichtlos. Mittelfeldt hingegen ist mit allerlei schönen Stadtlampen bestückt, von denen einige auch tagsüber angenehme Lichtpunkte im trüben Januar-Einerlei zu setzen wissen.
Und so ist mein erster Eindruck von Mittelfeldt, dass es sich um ein weitläufiges, ordentliches, mittelgrosses Städtchen handelt, ideal für eine Tagesreise, auch bei grauem Wetter.
Die Bürgermeisterin empfängt mich freundlich am Ortseingang und gibt mir eine kurze Einführung. Mit 62 Quadratkilometern Flächenausdehnung sei Mittelfeldt durchaus üppig bemessen. Vor 12 Jahren bereits habe sie das Amt der Bürgermeisterin übernommen, und erst seit einiger Zeit mache sie sich zögerlich mit dem Gedanken vertraut, sich unter Umständen eine neue Wirkungsstätte jenseits von Mittelfeldt zu erschließen. Sie spricht von Aufbruchstimmung und wirkt etwas betrübt. Doch dann lacht sie wieder und fährt fort. Sechs Bezirke unterstünden ihr: Hallterstedt, Wonnenbach, Kochelshausen, Luftmarschen, das Badenser Viertel und Schlafessheim. Sie betont, dass sich letztgenannter Bezirk keineswegs auf das Wort ‚Schlaf‘ beziehe. Hier hätten sich einst sowohl die Nachfahren der Schlafunden, als auch die der Essrehmer angesiedelt und bildeten gemeinsam den Namen ihrer neuen Heimat. Die Interessen und Lebensweisen dieser zwei doch recht unterschiedlicher Volksgruppen in einem Stadtteil zu vereinen, sei nicht immer einfach gewesen, doch nun führten sie ein harmonisches Miteinander.
Generell sei sie mit Mittelfeldt wirklich recht gut aufgestellt, sagt die Bürgermeisterin. Die Bewohner der einzelnen Stadtteile seien durchweg lokal vernetzt und eng miteinander verbunden. Es werde hier zwar häufig umgezogen, doch erfolge dies überwiegend innerhalb der eigenen Stadtgrenzen und zeuge zudem von innerer Beweglichkeit. Ein jeder Stadtteil hätte seinen ganz eigenen Charakter, betont sie. Letztes Jahr habe sogar eine Künstlerin aus der Hauptstadt den Ort besucht. In jedem Bezirk habe sie sich lange aufgehalten und viel fotografiert. Die Künstlerin sei so angetan von Mittelfeldt gewesen, dass sie anschließend eine Postkartenedition herausgegeben habe, mit der sie einen jeden Stadtteil individuell portraitierte. Ich sehe Stolz in ihren Augen aufflackern und höre Respekt ob künstlerischer Kreativität heraus. Wunderbar, denke ich, ein Ort der schönen Künste.
….
Zwei Stunden später: Ich fröstele leicht, spüre aufkommende Müdigkeit und sehne mich nach Hause.

Als stolze Besitzerin von acht der zehn Karten, die mich gewiss noch lange an diesen schönen Ausflug erinnern werden können, kann ich nun guten Gewissens den Rückweg einschlagen. Am Ortsausgang treffe ich noch einmal die Bürgermeisterin, die mir erneut die Hand schüttelt, sich freundlich für meinen Besuch bedankt, nur um als gleich zu einem weiteren Termin zu eilen.
Zu Guter letzt, kurz bevor ich die Grenze des Landkreises erreicht habe, entdecke ich dann noch das mir bis dahin rätselhaft gebliebene Motiv der Willkommenskarte von Mittelfeldt/B., toll! Ist das nicht ein würdiger Abschluss dieser wunderbaren Reise? Erschöpft, gleichwohl erfüllt von den intensiven Eindrücken dieser Reise begebe ich mich auf den Heimweg in das Nachbarland.

Wenn eine Wohnung eine Stadt wäre … sind die Zimmer Stadtteile, die Möbel Häuser und die Dinge ihre Bewohner/innen.
Die Wohnungen sind Städte, das Haus der Landkreis, der Kiez das Bundesland, die Stadtteile das Land, und Berlin – die Welt!

Dorotea Etzler, Jan./Feb. 2018

(Sie lasen die Kurzfassung des Reiseberichts. Möchten Sie die Langfassung per Mail erhalten, so schreiben Sie bitte eine kurze Mail an adi@kunsthallebelow.de)

Text und Bilder © Dorotea Etzler 2018